Reaktorunglück in Japan
Thema des Monats April 2011
Bedingt durch das gewaltige Erdbeben und den Tsunami kam es in mehreren Kernkraftwerken in Japan zu Explosionen. Die berichteten Strahlenbelastungen deuten auf Kernschmelzen hin.
Fällt die Kühlung des Reaktorkerns, der sich in einem dickwandigen Reaktordruckbehälter befindet, aus, verdampft durch die Nachzerfallswärme nach und nach das vorhandene Wasser im Reaktordruckbehälter. Der Brennstoff erhitzt sich bis zur Schmelztemperatur (= Kernschmelze). Die geschmolzene Masse sammelt sich im unteren Teil des Reaktordruckbehälters. Kommt genügend Masse zusammen, schmilzt sich die Kernschmelze durch die Wand des Behälters. So gelangen schließlich radioaktive Stoffe in die Umgebung. Dabei spielt es letztlich keine Rolle, ob es sich um einen Reaktor mit MOX-Brennelementen oder um einen mit Uran-Brennelementen handelt.
Gasförmige Stoffe wie Krypton und Xenon und leicht flüchtige Stoffe wie Jod und Cäsium werden vollständig oder nahezu vollständig freigesetzt. Weniger flüchtige Stoffe wie Strontium, Uran und Plutonium liegen als Staubteilchen vor. Ob und wie umfangreich diese Stoffe freigesetzt werden und wie weit sie transportiert werden, kann man nur mutmaßen.
Die radioaktiven Isotope des Jod bestimmen in den ersten 8 Tagen nach dem Unfall wesentlich die Strahlenbelastung. Ihre Wirkung kann abgemildert werden, indem gefährdete Personen rechtzeitig Jodtabletten zu sich nehmen (sehr hohe Dosen). Die nächsten die Strahlenbelastung wesentlich bestimmenden radioaktiven Stoffe sind die Radionuklide von Cäsium. Diese haben eine Halbwertzeit von 30 Jahren. Hier gibt es keine Möglichkeit, die Strahlenbelastung durch Medikamente oder andere Maßnahmen abzumildern. Cäsium verhält sich im Körper wie Kalium und kommt somit in die Zellen. Insbesondere in Muskel- und Nervenzellen kann es so zu Schäden kommen.
Strontium und Plutonium werden dann relevant, wenn es zur explosionsartigen Freisetzung kommt. Strontium verhält sich im Körper wie Calcium und reichert sich in den Zellen und vor allem in den Knochen an. Plutonium lagert sich an Staubpartikel an und wird eingeatmet. Über diesen Weg lagert es sich in der Lunge ab. Einiges kommt über die Lunge in die Blutbahn und belastet dann auch Leber und Knochen. Die Verweildauer im Körper beträgt Jahre bis Jahrzehnte.
Einfacher Atemschutz ist kaum in der Lage, das Einatmen flüchtiger radioaktiver Stoffe zu verhindern. Der Verzehr radioaktiv verseuchter Lebensmittel ist zu vermeiden.
Die Einheit Sievert ist die Maßeinheit zur Messung der Strahlenbelastung biologischer Organismen (bis zum 31.12.1985 war die offizielle Einheit das Rem; 1 rem = 10 mSv). Die Energiedosis der medizinischen Bestrahlung wird in Gray gemessen (insofern misst sowohl Sievert als auch Gray die von der Strahlung an die Materie abgegebene Energie pro Masseneinheit, Gray erhält aber noch einen Gewichtungsfaktor, um die Schädlichkeit für verschiedene Gewebe besser darstellen zu können). Zur Ergänzung sei noch auf die Einheit Becquerel hingewiesen, die die mittlere Anzahl der Atomkerne angibt, die pro Sekunde radioaktiv zerfallen.
Die gesamte natürliche Strahlenexposition (also die Menge Strahlung, mit der man in Kontakt kommt durch natürliche Radionuklide wie Radon oder Thorium, durch die Erdstrahlung und durch die kosmische Strahlung) beträgt in Deutschland im Schnitt 2,1 Millisievert im Jahr. Hinzu kommen noch mal ca. 2 Millisievert aus künstlichen Quellen wie Röntgen, CT und anderen technischen Anwendungen.
Für Flugpersonal (hohe kosmische Strahlung im Flugzeug) gelten 20 Millisievert pro Jahr bzw. 400 Millisievert über ein Berufsleben als gesetzlicher Grenzwert. Für die Bevölkerung ist die maximale Belastung durch kerntechnische Anlagen auf 1 Millisievert pro Jahr festgelegt. Bei einem Wert von 100 Millisievert pro Woche sind in Deutschland Evakuierungsmaßnahmen vorgesehen.
Bei einer Kernschmelze kann die Strahlenbelastung so hoch werden, dass es längerfristig zu einem erhöhten Leukämie- und Krebsrisiko kommt. Ist ein Mensch einer Strahlung von 500 Millisievert ausgesetzt, können gesundheitliche Schäden bereits nach Stunden, Tagen oder Wochen auftreten.
Am 15.03.2011 haben die japanischen Behörden eine Belastung von 400 Millisievert pro Stunde auf dem Werksgelände von Fukushima-Daiichi gemessen.
Angesichts der Entfernung zu Japan und der daraus resultierenden Abnahme der Konzentration der Radionuklide sollte es für Europa zu keinen Auswirkungen kommen.
(Nach Informationen des Bundesamtes für Strahlenschutz, www.bfs.de, vom 20.03.2011)
Aktuelle Meldung am 27.03.2011:
Die Strahlung im Reaktor-Block II des AKW Fukushima I ist 10 Millionen Mal höher als normal. Dabei geht es um das radioaktiv verseuchte Wasser, das im Turbinengebäude des Blocks steht. In der Nähe der Atomruine übersteigt heute die Strahlung den zulässigen Grenzwert um das 1850fache. 330 Meter vor der Anlage ist der Gehalt des Isotops Jod 131 im Meerwasser 1250fach erhöht.