Neuroblastom

Thema des Monats November 2012

Neuroblastome sind bösartige solide Tumoren. Sie entstehen aus entarteten unreifen Zellen des sympathischen Nervensystems. Dieses ist ein Teil des autonomen Nervensystems und steuert die unwillkürlichen Funktionen wie Herz- und Kreislauf, Darm- und Blasentätigkeit.
Neuroblastome können demnach überall dort auftreten, wo sich sympathisches Nervengewebe befindet. Am häufigsten entstehen sie im Nebennierenmark und im Bereich der Nervengeflechte beidseits der Wirbelsäule, im so genannten Grenzstrang. Ist der Grenzstrang betroffen, können Neuroblastome auf jeder Höhe entlang der Wirbelsäule vorkommen: im Bauch-, Becken-, Brust- und Halsbereich. In der Mehrzahl der Fälle (zu etwa 70 %) befindet sich der Tumor im Bauchraum.
Manche Neuroblastome sind auf den Ursprungsort begrenzt, andere streuen in nahe gelegene Lymphknoten. Bei einem Teil der Neuroblastome finden sich aber auch Metastasen im Knochenmark, in den Knochen, in entfernten Lymphknoten, in der Leber oder in der Haut, seltener im Gehirn oder in der Lunge. Eine Besonderheit der Neuroblastome ist, dass sie sich spontan zurückbilden können.

Neuroblastome machen fast 8 % aller Krebserkrankungen im Kindes- und Jugendalter aus. In Deutschland erkranken nach Angaben des Deutschen Kinderkrebsregisters (Mainz) jährlich etwa 140 Kinder und Jugendliche bis zum vollendeten 14. Lebensjahr neu an einem Neuroblastom. Damit ist pro Jahr etwa eines von 100.000 Kindern unter 15 Jahren von dieser Krankheit betroffen.

Da Neuroblastome embryonale Tumoren sind, kommen sie vor allem im frühen Kindesalter vor: 90 % der Patienten sind jünger als sechs Jahre alt. Am häufigsten betroffen sind, mit etwa 40 %, Neugeborene und Säuglinge im ersten Lebensjahr. Jungen erkranken etwas häufiger als Mädchen. Ein Neuroblastom kann aber auch bei älteren Kindern, Jugendlichen und im Einzelfall sogar bei Erwachsenen vorkommen.

Die Krankheit wird durch eine bösartige Veränderung (Entartung) von unreifen Zellen des sympathischen Nervensystems ausgelöst. Die Fehlentwicklung dieser noch nicht ausgereiften (embryonalen) Nervenzellen beginnt möglicherweise bereits vor der Geburt und kann eine Folge von Chromosomenveränderungen und/oder Genveränderungen (Mutationen) sein. Eine Vererbung im eigentlichen Sinne wird nach dem derzeitigen Kenntnisstand der Forschung bei den meisten Patienten ausgeschlossen. Es gibt allerdings Familien, in denen Neuroblastome gehäuft auftreten (das betrifft aber weniger als 1 % der Patienten). Ob auch äußere Einflüsse (Umweltfaktoren, berufliche Belastung der Eltern, Medikamenteneinnahme, Nikotin- oder Alkoholkonsum während der Schwangerschaft) eine Rolle spielen können, ist bislang nicht erwiesen.

Viele Patienten mit Neuroblastom haben keine Symptome. Bei ihnen wird der Tumor zufällig entdeckt, zum Beispiel bei einer Routineuntersuchung durch den Kinderarzt oder bei einer Ultraschall- oder Röntgenuntersuchung, die aus einem anderen Anlass durchgeführt wird. Beschwerden treten in der Regel erst dann auf, wenn das Tumorwachstum fortgeschritten ist, Tochtergeschwülste (Metastasen) auftreten oder umgebende Strukturen beeinträchtigt werden. Bei manchen Kindern fällt eine Schwellung am Bauch oder am Hals auf. Tumoren des Bauchraumes können durch Druck auf den Harnleiter einen Harnstau verursachen. Befindet sich der Tumor im Brustraum, kann es durch Druck auf die Lunge zu Luftnot kommen. Wirbelsäulennahe Tumoren können in den Wirbelsäulenkanal einwachsen und zu Lähmungserscheinungen führen. Bluthochdruck oder anhaltende Durchfälle können in seltenen Fällen durch die hormonelle Aktivität des Tumors entstehen. Bei Tumoren im Halsbereich kann das so genannte Horner-Syndrom auftreten. Darunter versteht man ein Zurücksinken des Augapfels mit einseitig verkleinerter Pupille und hängendem Lid. Allgemeine Symptome, die auf ein häufig fortgeschrittenes Neuroblastom hinweisen können, sind: Müdigkeit, Lustlosigkeit, Schwäche, Blässe, anhaltendes mäßiges Fieber ohne erkennbare Ursache, Schwitzen, Knoten oder Schwellungen an Bauch oder Hals, Lymphknotenschwellungen, aufgetriebener, großer Bauch, Verstopfung oder Durchfälle, Bauchkoliken, Appetitlosigkeit, Übelkeit, Erbrechen, Gewichtsverlust, Knochenschmerzen.

Das Auftreten eines oder mehrerer dieser Krankheitszeichen muss allerdings nicht bedeuten, dass ein Neuroblastom vorliegt. Viele dieser Symptome können auch vergleichsweise harmlose Ursachen haben. Bei Beschwerden ist es jedoch ratsam, so bald wie möglich einen Arzt zu konsultieren, um deren Ursache zu klären.

Der Krankheitsverlauf eines Neuroblastoms ist individuell verschieden, bedingt vor allem durch das Wachstumsverhalten des Tumors und das Maß seiner Ausbreitung zum Zeitpunkt der Diagnose. Vor allem bei Kindern jenseits des ersten Lebensjahres wachsen Neuroblastome oft schnell und ungehemmt und verbreiten sich – meist über das Blutsystem, manchmal aber auch über das Lymphsystem im gesamten Körper. Manche Neuroblastome können allerdings auch – entweder spontan oder infolge einer Chemotherapie reife und somit weniger bösartige Tumorzellanteile entwickeln. Man bezeichnet diesen Prozess als Tumorausreifung. Die entsprechenden Tumoren werden als Ganglioneuroblastome bezeichnet. Sie enthalten zwar noch immer bösartige Zellen, wachsen aber entschieden langsamer als die rein bösartigen Neuroblastome. Darüber hinaus gibt es Neuroblastome, die sich spontan zurückbilden. Die Tumorzellen sterben dabei durch eine Art selbstausgelösten Zelltod ab, ein Vorgang, der Apoptose genannt wird. Die spontane Tumor-Rückbildung wird in besonderem Maße bei Neuroblastomen beobachtet, die im frühen Säuglingsalter auftreten. Bei diesen Patienten führt oft eine Lebervergrößerung infolge ausgedehnter Metastasen zur Diagnose. Die Metastasen können auch zunächst noch rasch an Größe zunehmen, dabei Bauchorgane und Lunge verdrängen und ein lebensbedrohliches Ausmaß erreichen. Dann können sie sich aber spontan oder nach einer mild dosierten Chemotherapie zurückbilden.

Die Behandlung eines Patienten mit Neuroblastom besteht in der Regel aus einer Kombination von Operation und Chemotherapie. Wenn nach dieser Behandlung noch aktives Tumorgewebe vorhanden ist, kann sich daran noch eine Bestrahlung der Tumorregion anschließen.

Die Heilungsaussichten lassen sich bei einem Neuroblastom für den Einzelfall nur schwer abschätzen. Sowohl das Ausmaß der Erkrankung als auch die Aggressivität des Tumors und das Alter des Patienten spielen eine Rolle. Eine gute Prognose besteht bei Kindern mit dem Neuroblastom-Stadium 4S sowie in der Regel bei begrenzten Tumoren und bei jüngeren Kindern. Bei älteren Kindern mit metastasiertem Neuroblastom (Stadium 4) sind die Heilungsaussichten trotz intensiver Therapie noch immer ungünstig.