ADHS im Erwachsenenalter
Thema des Monats März 2011
Unter ADHS versteht man Aufmerksamkeits-Hyperaktivitätsstörung.
Mehrere Langzeitstudien belegen inzwischen, dass sich die Problematik nur bei den wenigsten Patienten auswächst.
2/3 bis 3/4 haben auch als Erwachsene Symptome.
In einer deutschen Verlaufsstudie mit 48 Patienten lebten über 60 % der jungen Erwachsenen mit ADHS noch bei ihren Eltern, ohne ADHS waren es nur halb so viele. 1/4 war auch im Alter von 25 – 33 Jahren nicht in der Lage, sich selbst zu versorgen: sie lebten entweder weiter bei ihren Eltern, einige waren straffällig geworden und inhaftiert. Schwierigkeiten hatten besonders Pat. mit schwerem ADHS, mit zusätzlichen Depressionen sowie mit Eltern, die selbst psychische Probleme hatten. Dagegen war bei schwacher Symptomatik, hoher Intelligenz der Betroffenen, guter medikamentöser Einstellung bzw. verlässlicher Medikamenteneinnahme sowie tatkräftiger Unterstützung der Eltern die Chancen gut, den Alltag als junge Erwachsene zu bewältigen.
Oft verändern sich die ADHS-Symptome im Laufe der Jahre.
Die motorische Unruhe verschwindet meist beim Übergang ins Erwachsenenalter. Hochfrequentes Fußwippen oder häufige Fingerbewegungen können bleiben. Die Pat. empfinden oft eine unangenehme innere Unruhe.
Unaufmerksamkeit bleibt dagegen bestehen. Oft genügt schon ein normaler Geräuschpegel, um die Fokussierung auf eine Aufgabe zu verhindern. Zugleich können sich die Pat. aber auch auf eine Aufgabe hyperfokussieren, wenn sie ihnen besonders interessant erscheint. Sie widmen sich dieser Aufgabe dann intensiv und ausdauern, vergessen dabei aber, Alltagsaufgaben zu erledigen. Generell fällt es ihnen schwer, Termine einzuhalten, pünktlich zu erscheinen, sie gelten als unzuverlässig.
Auch die Impulsivität bleibt problematisch. Aus den Kindern mit Wutanfällen werden jähzornige Erwachsene. Sie reagieren mitunter sehr stark auf Ungerechtigkeiten, kaufen aus einem Impuls heraus Dinge, die sie sich nicht leisten können, essen zu viel, oder wechseln häufig die Partner.
Motivationsprobleme sind auch bei Erwachsenen mit ADHS zu beobachten. Routineaufgaben werden als langweilig abgetan und vermieden. Ein hohes Abwechslungsbedürfnis führt zu riskantem Verhalten. Viele suchen den „Kick“, auch im Straßenverkehr, andere begeistern sich bei Risikosportarten. Die Risikobereitschaft geht oft mit dem Konsum von Alkohol, Nikotin und illlegalen Drogen einher. Stimulanzien wie Nikotin und Kokain beeinflussen den Dopamintransport in einer ähnlichen Weise wie auch ADHS-Medikamente, allerdings mit erheblichem Suchtpotenzial. Entsprechende Drogen wwerden von 1/3 bis der Hälfte der ADHS-Kranken konsumiert.
Die gute Nachricht: Einige Symptome verschwinden tatsächlich. So haben Erwachsene mit ADHS kaum noch motorische Defizite oder Sprachstörungen. Tics und Bettnässen sind ebenfalls selten. Das Sozialverhalten ist kaum noch gestört.
Dagegen rücken neue Symptome in den Vordergrund. Angststörungen und Depression kommt bei Erwachsenen mit ADHS doppelt so häufig vor wie bei Jugendlichen. Soziale Phobien werden bei mehr als 1/5 der erkrankten Erwachsenen beobachtet.
Insofern ist es problematisch, die medikamentöse Therapie aufgrund der fehlenden Zulassung für Erwachsene mit 18 Jahren abrupt abzusetzen.
[Ärzte Zeitung 154, 31.08.2010]